Autor

Claudia Czok

256. Geburtstag Schadows

Pünktlich zum 256. Geburtstag Gottfried Schadows trafen sich renommierte Museumsleute und Restaurator*innen mit Vertreter*innen der Staatlichen Münze Berlin und der Schadow Gesellschaft Berlin e.V. in den Katakomben des Berliner Kreuzberg-Denkmals. Hier, vor den originalen Schadowschen Münzfries-Teilen, wurden erste Schritte beraten, die notwendig sind, um das Kunstwerk zukünftig wieder dauerhaft öffentlich zugängig zu machen.

In seinen Memoiren von 1849 berichtet der alte Schadow ausführlich vom Münzfries. Dieser entstand als Bauschmuck für die sog. Neue Münze (1798-1800) des Architekten Heinrich Gentz (1766-1811) auf dem Werderschen Markt in Berlin. Das monumentale Werk, rund 40 Meter lang und 1,75 Meter hoch, 39 Einzelplatten, gehörte seitdem neben seiner weithin sichtbaren Quadriga auf dem Brandenburger Tor zu den bedeutenden, im Stadtraum öffentlich wirksamen Bildfolgen. Die Entwürfe für die aus Sandstein gefertigten Basreliefs, für die Gentz die Ideen lieferte, kamen 1799 von einem weiteren Architekten, dem damals wie heute hoch geschätzten Friedrich Gilly (1772-1800). (cc)

Bildhauer im Wartestand

Schadow Gesellschaft Berlin e.V. brachte Bild-Text-Band über Gottfried Schadows Arbeiten für das Schloss heraus und möchte seine Reliefs im Humboldt Forum ausstellen

Im Spätsommer 2020 soll das Humboldt Forum im Berliner Schloss mit der von Andreas Schlüter und anderen Meistern des Barock geschaffenen Fassade und den beiden historischen Innenhöfen eröffnet werden. Die Arbeiten außen und innen laufen auf Hochtouren, aktuell kann man zusehen, wie die Kuppel mit Kupferblech belegt wird. Derweil werden Exponate aus den außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Dahlem sowie der Stiftung Stadtmuseum Berlin und der Humboldt-Universität im Neubau mit der prächtigen Barockfassade aufgestellt. Die Schadow Gesellschaft Berlin e. V. hat 2015 Zeit angeboten, im Humboldt Forum vier von dem Künstler und späteren Akademiedirektor Gottfried Schadow geschaffene Stuckreliefs aus dem Parolesaal der Königskammern im früheren Berliner Stadtschloss zu präsentieren. Sie will damit an die bedeutenden, durch Kriegszerstörung und Abriss von 1950/51 verloren gegangenen beziehungsweise geborgenen Kunstwerke von Schadows Hand für die Hohenzollernresidenz erinnern, ihn öffentlich und publikumswirksam als großen europäischen Bildhauer ehren.

Nach langen Diskussionen mit Kunsthistorikern legten sich Vorstand und Kuratorium des Vereins auf Arbeiten des jungen Schadow von 1787/89 für den Parolesaal des Berliner Schlosses fest. Konkret geht es um zwei Supraportenreliefs schreibender Viktorien sowie zwei links und rechts einer Tür angebrachte Fahnenträger. „Fünf Jahre haben Mitglieder der Schadow-Gesellschaft für diese Idee gekämpft, sie haben korrespondiert und mit zuständigen Personen gesprochen. Doch leider waren alle Mühen umsonst, denn die für die Geschichte der ehemaligen Hohenzollernresidenz so wichtigen Kunstwerke wurden abgelehnt, hoffen aber auf bessere Zeiten.“ Das sagte am 12. Dezember 2019 Klaus Gehrmann, der Geschäftsführer der Schadow Gesellschaft Berlin, bei der Präsentation des neuen Buches „Etablirt im Schlosse? Johann Gottfried Schadow im Berliner Schloss“ im früheren Wohnhaus des Künstlers an der Schadowstraße 10/11, nicht weit vom Brandenburger Tor entfernt.

Alles begann gut und hoffnungsvoll

Dr. Andreas Kaernbach, Leiter der Kunstsammlungen des Deutschen Bundestages und Hausherr des Schadowhauses, stellte dem Verein einen Ausstellungsraum mit jenen Reliefs und weiteren Kunstwerken für die mit Gitarrenklängen umrahmte Feierstunde zur Verfügung. „Vielleicht erreichen wir mit diesem Buch noch mehr Aufmerksamkeit und ein Umdenken bei den Verantwortlichen im Humboldt Forum, was die vier Reliefs betrifft“, sagte Klaus Gehrmann. Er dankte den vielen Sponsoren, den Mitgliedern der Schadow Gesellschaft sowie ihren Freunden und Sympathisanten, die rund 35.000 Euro für die Abformungen der Reliefs, die Herstellung von zwei Rahmen sowie für Transport, Aufstellung und nicht zuletzt für die Herstellung des neuen Buches gesammelt haben. Im Museumsshop des Humboldt Forums soll es im kommenden Jahr zum Kauf angeboten werden.

Zunächst war Mitte 2015 geklärt worden, dass die Reliefs ins Humboldt Forum kommen. Denn dessen damaliger Vorstand Manfred Rettig war laut Gehrmann von dem Vorschlag begeistert. „Er zeigte uns im Humboldt Forum Möglichkeiten, wo die Reliefs mit guter Außenwirkung angebracht werden könnten. Davon beflügelt, machten wir uns an die Suche nach den Überresten der Werke Schadows nach der Schlosssprengung im Jahre 1951. Eine der Viktorien fanden wir in der Staatlichen Gipsformerei  Berlin, die andere und zwei Fahnenträger entdeckten wir im Depot der Alten Nationalgalerie Berlin, leicht beschädigt und zum Teil mit Farbresten bedeckt. Diverse Gespräche wurden geführt, um Abgüsse in der Berliner Gipsformerei fertigen zu können. Wir fanden in Kai Rötger einen anerkannten Restaurator, der die Abformarbeiten von den kostbaren, historischen Bildwerken begleitete und sie nun in dem neuen Buch beschreibt.“

Rückzieher im Humboldt Forum

Aber der neue Vorstand des Humboldt Forums machte vor zwei Jahren einen Rückzieher. Er lehnte das so erfreulich begonnene Projekt kategorisch ab, mit der Begründung, Kopien würden nicht in das Berliner Schloss/Humboldt Forum passen. Dabei wurde 1951 fast alles zerstört und heute besteht nahezu der ganze Skulpturenschmuck außen und innen aus Nachbildungen, eben aus Kopien. „Jetzt hängen die vier Reliefs vorläufig im Schadowhaus und erfreuen die Besucher. Aber unser Ziel bleibt bestehen: Irgendwann wollen wir mit den Viktorien und den Fahnenträgern im Humboldt Forum Gottfried Schadow ehren. Denn er war mehr als der Schöpfer der Prinzesinnengruppe und der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Vor allem auch, weil seine Werke an verschiedenen Stellen in Berlin nicht gerade günstig und gut sichtbar verwahrt werden. So wollen wir an einen großen Berliner Künstler von europäischem Rang zu erinnern. Dazu hat der Kunsthistoriker Bernd Wolfgang Lindemann in unserem Buch einen mit manch neuen Erkenntnissen und ungewohnten Blickwinkeln versehenen Beitrag veröffentlicht“, sagte Klaus Gehrmann. Der Geschäftsführer der Schadow Gesellschaft weiß sich eins mit vielen Kunst- und Geschichtsfreunden, die auch den Wunsch haben, dass diese Reliefs ins Humboldt Forum kommen. Das hofft auch Wilhelm von Boddien, der an der Buchpräsentation teilnahm. Er, der Spiritus rector und seit dem Ende der DDR unbeirrte Kämpfer für den Schlosswiederaufbau, wünscht sich außerdem, dass eines Tages auch die barocke Gigantentreppe hinter dem Portal VI rekonstruiert wird. Bilder, Dokumente sowie Skulpturenreste könnten ähnlich wie bei der Wiederherstellung der barocken Schlossfassade und der Innenhöfe dafür gut genutzt werden.

Der Titel des 18. Bandes der Schriftenreihe der Schadow Gesellschaft stammt von Schadow, aus einem Brief vom 24. Januar 1847 an seine Tochter Lida in Dresden. Darin schildert der Bildhauer in angenehmem Plauderton, wie Dr. Claudia Czok, die Vorsitzende der Schadow-Gesellschaft, in ihrem mit vielen neuen Erkenntnissen versehenen Kommentar schreibt, Ereignisse und Gestalten seiner Zeit in Berlin, und erwähnt, wer bei ihm zu Gast war und was es zu essen gab. Dort liest man auch: „Herr Biow aus Hamburg, mit Apparat etablirt im Schlosse.“ Das ist für die Autorin das Stichwort für Überlegungen darüber, warum sich der hochbetagte Schadow im Rittersaal des Schloss fotografieren ließ und was aus den Aufnahmen wurde. Während sich Schadow zum „Typiren“ durch den berühmten Fotografie-Pionier Hermann Biow bereit machte, verschob König Friedrich Wilhelm IV. seinen Termin mit dem damals sehr erfolgreichen Fotografen noch. Die historischen, sehr malerisch wirkenden Aufnahmen zeigen einen alt gewordenen Monarchen am Vorabend der Revolution von 1848/49, die das preußische Königtum ins Wanken, aber nicht zum Einsturz brachte.

Schloss als Metropole in der Metropole

Die großzügig illustrierte Publikation wird mit Grußworten von Hartmut Dorgerloh, dem Generalintendanten der Stiftung Humboldt Forum, und Andreas Kaernbach eingeleitet. In ihnen wird – neben der Bedeutung des Schlosses und des Humboldt Forums für Berlin und seine Gäste – der Beitrag des Hofbildhauers Schadow für die Ausgestaltung der von Friedrich Wilhelm II. bewohnten Königskammern gewürdigt und seine Rolle inmitten der Berliner Künstlerschaft vor und nach 1800 beschrieben. Mit seinem Vortrag und seinem Beitrag im 18. Band der Schriftenreihe der Schadow-Gesellschaft betonte Bernd Lindemann, der frühere Direktor von Gemälde- und Skulpturengalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, dass das Berliner Stadtschloss eine Metropole in der Metropole gewesen sei. Im späten Mittelalter begonnen und von namhaften Künstlern gestaltet, wurde es niemals fertig, und so sei es mit dem Humboldt Forum heute. Sein Wiederaufbau sei eine notwendige Retusche im Gesicht der Stadt. Bei gutem Willen ließen sich die seinerzeit vom jungen, überaus innovativen Schadow gestalteten Räume wiederherstellen, ebenso die barocke Gigantentreppe. Was das Schloss war und was es speziell Schadow verdanken hat, welche künstlerischen Verbindungen er nach Italien und England unterhielt und wie sich der Künstler den vorhandenen Räumlichkeiten und den Wünschen seines königlichen Auftraggebers dienend anpassen musste, ist nicht nur eine spannende Lektüre, sondern auch ein Fest für die Augen. Deshalb wird das Buch hier wohlwollend empfohlen.

 

Text: Helmut Caspar, Bilder: Chris Frey, Claudia Czok