Staatliche Museen zu Berlin wollen sich des von Schadow geschaffenen Reliefs annehmen und freuen sich auf Sponsoren

„Coronabedingt“ verspätet, aber voller Elan und Zuversicht kamen am 12. November 2021 Mitglieder der Schadow Gesellschaft Berlin e. V. zu ihrer Jahresversammlung zusammen. Der Verein mit aktuell 108 Mitgliedern blickt ungeachtet der Restriktionen durch die nun schon fast zwei Jahre andauernde Pandemie auf eine insgesamt positive Bilanz zurück und hat sich für 2022 und darüber hinaus viel vorgenommen. Im Mittelpunkt der von der stellvertretenden Vereinsvorsitzenden Dr. Christina Petersen moderierten Veranstaltung in einem Gebäude gleich neben Brandenburger Tor stand ein mit großem Interesse und Beifall aufgenommener Vortrag der Restauratorin Alexandra Czarnecki. Auf die Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts sowie Konservierung und Restaurierung von Gipsskulpturen spezialisiert, berichtete die Projektleiterin der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz über Untersuchungen am originalen Gipsmodell der berühmten Prinzessinnengruppe, die der Berliner Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow zwischen 1798 und 1800 geschaffen hat. Dargestellt sind in inniger Umarmung die aus Mecklenburg-Strelitz stammenden Prinzessinnen Luise und Friederike, die 1793 mit den Preußenprinzen Friedrich Wilhelm, ab 1797 König Friedrich Wilhelm III., und Ludwig verheiratet wurden.

Hochfragiles Modell aus Gips

Nach dem Modell schuf Schadow in Marmor die Statue der anmutigen Prinzessinnen, die gleich am Eingang die Besucher der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel begrüßt. Das wegen des Gipses hochfragile Modell war bis 2015 in der Friedrichswerderschen Kirche am Werderschen Markt ausgestellt. Private Förderer und die Kulturstiftung der Länder ermöglichten die umfassenden Untersuchungen an dem Gips, der 2022/3 im Rahmen einer Schadow-Retrospektive in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel und danach in der von Karl Friedrich Schinkel erbauten und in ein Skulpturenmuseum verwandelten Friedrichswerderschen Kirche gezeigt werden soll.

Das nach der Quadriga auf dem Brandenburger Tor wohl populärste Werk von Johann Gottfried Schadow werde nach der Restaurierung nicht grundsätzlich anders aussehen, aber es komme heller und ohne frühere Schutzanstriche daher, versicherte die Restauratorin und zeigte, was sie und ihr Team bei den Arbeiten entdeckt haben. Luise hielt ursprünglich ein Blumenkörbchen in der rechten Hand, das aber vom königlichen Schwiegervater Friedrich Wilhelm II. und dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.) als unschicklich empfunden wurde und von Schadow durch ein „Überspieltuch“ ausgetauscht wurde. Wie sich bei den Untersuchungen zeigte, hielt Luise dieses Utensil näher am Körper. Die Haltung der „abgespreizten“ rechten Hand erwies sich als anatomisch nicht stimmig, weshalb bei der Restaurierung eine dem Original folgende Korrektur vorgenommen wurde. Außerdem greift die Hand der Prinzessin tiefer in die Draperie und wirkt so natürlicher.

Bei den Untersuchungen zeigte sich überdies, dass mehrere alte und neue Übermalungen dem Gips alles andere als gutgetan haben. Die Schutzanstriche haben feine, vom Bildhauer mit Bedacht geschaffene Konturen überdeckt. Außerdem haben frühere Restauratoren am Gips geschliffen, was zu Substanzverlusten führte. Mit großer Akribie wurden diese in guter Absicht aufgetragenen, aber schädigenden Anstriche einschließlich eines in den 1980er Jahren aufgetragenen Kunstharzes (!) entfernt, was bei dem Feuchtigkeit aufsaugenden und zudem weichen Gips eine große Herausforderung war. Zum Schluss wurden feine Risse und Fehlstellen geschlossen. Statt bräunlich getönt wird die Gruppe in der Friedrichswerderschen Kirche nun bald in gereinigtem Gipston zu sehen sein.

Aus den Katakomben ans Tageslicht

Eine andere gute Nachricht bei der Zusammenkunft konnte Prof. Dr. Bernd Wolfgang Lindemann, der emeritierte Direktor der Berliner Gemäldesammlung und Skulpturensammlung sowie des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und Vorsitzender der SchadowGesellschaft Berlin e. V. verkünden. Großzügige Privatspenden von 50 000 Euro machen es möglich, dass der berühmte, von Johann Gottfried Schadow nach Entwürfen von David Gilly geschaffene, etwa 90 Zentimeter hohe und 36 Meter lange Münzfries aus dem Jahr 1800 aus den Katakomben des Kreuzbergdenkmals ans Tageslicht geholt und restauriert werden kann. Die Summe sei eine sehr gute Grundlage für die längst fällige Maßnahme. Die Gesamtkosten werden auf 250 000 Euro geschätzt, weshalb weitere Zuwendungen hoch willkommen sind. Spendenbescheinigungen werden ausgestellt.

Die Aufbewahrung der ursprünglich von der Königlichen Münze am Werderschen Markt stammenden, im Besitz der Nationalgalerie befindlichen Sandsteinplatten in der von Fledermäusen bevölkerten Halle sei nicht mehr zu verantworten, sagte Lindemann und unterstrich die Dringlichkeit der Rettungsmaßnahem. Architekt des klassizistischen Münzgebäudes war Heinrich Gentz, der Sohn des Breslauer Münzmeisters beziehungsweise Generalmünzdirektors in Berlin Johann Friedrich Gentz. Das Sandsteinrelief an drei Seiten der Fassade war ursprünglich bronziert und symbolisierte die dem Haus übertragenen Aufgaben als Münzstätte, Oberbaudirektion und Mineralogische Sammlung. Dargestellt sind das Schürfen „roher“ Metalle und ihre Bearbeitung, die Beschäftigung mit Metallen, das Schmelzen, Strecken auf einer Walze und Prägen auf einer Spindelpresse, dem damals wichtigsten Prägegerät und schließlich das Wiegen und Prüfen der fertigen Münze. Außerdem wird gezeigt, wie der Wohlstand die Künste herbeilockt. Weitere Reliefplatten schildern die Segnungen des Land- und Wasserbaues und wie mit Hilfe von Geld dem Wüten der Naturgewalten Einhalt geboten werden kann. Entwürfe für das Relief befinden sich in der Sammlung der Zeichnungen der Staatlichen Museen zu Berlin und im Märkischen Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Hoffnung auf weitere Zuwendungen

Bernd Wolfgang Lindemann hofft, dass weitere Gelder zur Verfügung gestellt werden, wenn erst einmal die Arbeiten an dem Fries begonnen haben und Ergebnisse zu sehen sind. Als Ort für die Reinigung und Restaurierung der Platten, von denen jede etwa eine Tonne wiegt, käme die bisherige Schlossbauhütte auf einem ehemaligen Kasernengelände am Askanierring in Berlin-Spandau infrage. Nach Abschluss der Arbeiten sei eine würdevolle Aufstellung des Schadow’schen Meisterwerks in Teilen oder auch komplett erst in der Alten Nationalgalerie und eventuell später in einem Neubau geplant, der neben dem Auswärtigen Amt und damit nicht weit vom Standort der 1886 abgerissenen Münze entsteht.

 

 

 

Text und Fotos: Helmut Caspar, Januar 2022

Bildtexte:

Bild 1) Schadows Prinzesinnengruppe aus Marmor begrüßt die Besucherinnen und Besucher der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel, das Gipsmodell wird nach der Restaurierung in der Friedrichswerderschen Kirche zu sehen sein.

Bild 2 und 3) Die Reliefplatten des Gilly-Schadow-Frieses fristen in den Katakomben des Kreuzbergdenkmals ein trauriges, ja unwürdiges Dasein.

Bild 4) Zum 250. Geburtstag von Johann Gottfried Schadow brachte die Staatliche Münze Berlin 2014 ein Medaillenset mit Motiven vom Münzfries und einem Porträt des Künstlers mit einem Modell des Wittenberger Lutherdenkmals heraus.