Kostbare Bildhauerarbeiten fristen unterm Kreuzbergdenkmal ein Schattendasein, sollten aber ans Licht geholt werden

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 ließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. für die Helden dieses Kampfes gegen das napoleonische Frankreich Denkmäler errichten und Medaillen prägen. Für die Restaurierung eines dieser Monumente, des Kreuzbergdenkmals in Berlin, hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz viel Geld bereit gestellt und zu weiteren Spenden für das fragile Eisenmonument aufgerufen. Die Schadow Gesellschaft hatte am 24. Mai 2019 zur Besichtigung eingeladen. Sachkundig von Frank Körner geführt, sahen sich die Gäste im riesigen Unterbau und oben auf der Kuppel des Kreuzbergs um und erfuhren viel aus der Bau- und Restaurierungsgeschichte des reich mit Skulpturen bestückten Monuments. Der frühere Mitarbeiter im Tiefbauamt Friedrichshain-Kreuzberg kennt die nach Schinkels Entwürfen und von den Bildhauern Christian Daniel Rauch, Christian Friedrich Tieck und Ludwig Wichmann gestaltete Pyramide aus grün gefasstem Eisenkunstguss wie seine Westentasche.

Eingehend wurden im gewölbten Unterbau der aus Sandsteinplatten nach Entwürfen von David Gilly von Johann Gottfried Schadow ausgeführte Fries von der anno 1800 eröffneten klassizistischen Münze auf dem Werderschen Markt beziehungsweise von der Fassade der königlichen Prägeanstalt an der Berliner Unterwasserstraße und weitere qualitätsvolle Steinreliefs Berliner Prachtbauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert betrachtet und kommentiert. Interessant war zu erfahren, dass vor Jahren der hohe Unterbau, auf dem das Kreuzbergdenkmal steht, in ein Lapidarium umgewandelt und dem interessierten Publikum geöffnet werden sollte. Der löbliche Plan zur Schaffung eines solchen Museums von Standbildern und anderen Bildhauerarbeiten kam nicht zustande, weil die Behörden meinten, das Kreuzbergdenkmal im Viktoriapark sei zu weit abgelegen und schlecht zu erreichen. Das war eine vorgeschobene Ausrede, denn vom U-Bahnhof Platz der Luftbrücke braucht man nur 15 Minuten oder etwas mehr, um das in der Nähe der alten Schultheiss-Brauerei befindliche Monument zu erreichen.

 

Wiegen, prüfen, prägen

Auf dem 36 Meter langen Sandsteinrelief an drei Seiten der Fassade der klassizistischen Münze am Werderschen Markt in Berlin nach Entwürfen von David Gilly und Gottfried Schadow sind das Schürfen „roher“ Metalle und ihre Aufbereitung durch Schmelzen sowie das Strecken mit einer Walze sowie das Prägen mit einer Spindelpresse, dem damals wichtigsten Prägegerät, und schließlich das Wiegen und Prüfen der fertigen Geldstücke dargestellt. Eine Platte schildert, dass Wohlstand die Künste anlockt, weitere zeigen die Segnungen des Land- und Wasserbaues und die Art und Weise, wie mit Hilfe von Geld dem Wüten der Naturgewalten Einhalt geboten werden kann. Entwürfe für das klassizistische Relief befinden sich in der Sammlung der Zeichnungen der Staatlichen Museen zu Berlin sowie im Märkischen Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Aufgrund der Platznot mussten in den 1830er Jahren die obersten Bergbau- und Baubehörden einschließlich der Bauakademie die Neue Münze verlassen. 1861 ging der tempelartige Bau in städtischen Besitz über und 1886 wurde er ungeachtet des Protests kunst- und geschichtsbewusster Berliner abgerissen, um einem Kaufhaus Platz zu machen. Zwischen 1861 und 1871 entstand an der Unterwasserstraße nach Plänen der Architekten Heinrich Bürde (Gebäude) und Friedrich August Stüler (Fassadengestaltung) eine weitaus größere Münzstätte. Die vom Vorgängerbau übernommenen Reliefplatten wurden in die Fassade der weitaus größeren Geldfabrik eingefügt. Da die im Stil der Neorenaissance erbaute Produktionsstätte von Talern, Groschen und Pfennigen eine längere Fassade besaß als das Gebäude von 1800, hat man links und rechts zusätzliche Reliefs der Bildhauer Hugo Hagen und Rudolf Siemering angefügt.

 

Kopie an Geldfabrik am Molkenmarkt

Nach dem Münzgesetz vom 2. Juli 1934 sollten die fünf deutschen Münzstätten in München, Muldenhütten, Stuttgart, Karlsruhe und Hamburg geschlossen und in der Reichshauptstadt Berlin die einzige, nach neuestem Standard ausgestattete Prägeanstalt etabliert werden. Der Plan entsprach den zentralistischen Zielen der Nationalsozialisten und ihrem Bestreben, letzte Reste föderaler Strukturen im NS-Staat zu beseitigen. Allerdings erwies sich der bisherige Standort an der Unterwasserstraße für die erheblich größeren Aufgaben als zu klein. Deshalb wurde eine neue Geldfabrik zwischen 1936 bis 1942 nach Plänen der Architekten Fritz Keibel und Arthur Reck auf den Fundamenten des mittelalterlichen Krögels, des Mühlenviertels und eines Gefängnisses, die so genannte Stadtvogtei, als Preußische Staatsmünze errichtet. Die Vorderseite am Molkenmarkt wurde mit einer Kopie des Gilly-Schadow-Frieses geschmückt.

Die Arbeiten an der künftigen Reichsmünzen wurden 1942 wegen des Kriegsverlaufs einstellen, so dass der riesige Neubau ein riesiger Torso geblieben ist. Nach der Behebung der Kriegsschäden beherbergte er das Ministerium für Kultur der DDR und den VEB Münze der DDR. Von 1990 bis 2006 prägte die Staatliche Münze Berlin am Molkenmarkt wieder gesamtdeutsch. Durch den Umzug in eine für ihr neuen Zweck umgebaute ehemalige Glasfabrik fand die Prägeanstalt bessere Arbeitsbedingungen vorfand und konnte auch ein  kleines, aber feines Betriebsmuseum einrichten.

In den Katakomben des Kreuzbergdenkmals fristet hochkarätiges Kulturgut wie der Münzfries von Gilly und Schadow ein unwürdiges Schattendasein, unterbrochen durch gelegentliche Führungen und die Entnahme des einen oder anderen Exponats für Ausstellungen und Kopien. 5 Platten des langen 33 Platten umfassenden Schadow Frieses zum Thema „Prägen und Wägen“ hängen an der Außenwand des Oberstufenzentrums Banken, Immobilien, Versicherungen in Moabit/Tiergarten. Ob die Schadow-Gesellschaft mit ihrem Wunsch Gehör findet, dass das Meisterwerk ihres Namenspatrons im Humboldt Forum präsentiert wird, das noch in diesem Jahr eröffnet werden soll, ist nach heutigem Stand kaum anzunehmen. Man müsste die Platten, von denen einige in der Staatlichen Münze Berlin an der Ollenhauerstraße 97 in Reinickendorf beziehungsweise in Schadows Wohn- und Atelierhaus an der Schadowstraße 10 unweit des Brandenburger Tors ausgestellt waren, nur reinigen und mit Erläuterungstafeln versehen. Ans Licht geholt, dürften sie viele Geschichts- Kunstfreunde in Entzücken versetze.

 

 

Ruhmvolle Erinnerung an Befreiungskampf

Zurück zum Kreuzbergdenkmal. Preußens oberster Baumeister Karl Friedrich Schinkel hatte zur Erinnerung an die Befreiungskriege unter anderem einen „Brunnen der Begeisterung“ vor dem Berliner Schloss, einen mächtigen Dom „nach Art des Münsters zu Straßburg“ auf dem Leipziger Platz und weitere Monumente geplant. Doch waren diese Projekte für König Friedrich Wilhelm III., einen der Sieger und Profiteure jenes Freiheitskampfes, zu teuer, und so wurde das Nationaldenkmal auf dem 66 Meter über Normalnull weit vor der Haupt- und Residenzstadt in Auftrag gegeben. Die Grundsteinlegung fand am 19. September 1818 in Anwesenheit von Friedrich Wilhelm III. und seines Waffenbruders Zar Alexander von Russland statt.

Der Staatsakt wurde durch eine von Henri François Brandt geschaffene Medaille gewürdigt. Sie zeigt auf der Vorderseite die Köpfe der beiden Monarchen, und auf der Rückseite befindet sich die Ansicht des Monuments, versehen mit der Umschrift in drei Reihen: „Dankbar gegen Gott eingedenk seiner treuen Verbündeten und ehrend die Tapferkeit seines Volkes legte in Gemeinsamkeit mit Alexander I. Kaiser von Russland Friedrich Wilhelm III. den 19. September 1818 den Grundstein des Denkmals für die ruhmvollen Ereignisse in den Jahren 1813 1814 1815“. Durch eine Kabinettsorder vom 13. September 1819 hatte der König verfügt: „Der Gegenstand dieser gelungen Arbeit ist von so allgemeinem Interesse, dass ich es angemessen finde, noch mehr dergleichen Denkmünzen anfertigen zu lassen, um deren öffentlichen Verkauf gegen einen mäßigen Preis zu gestatten. Der daraus, nach Abzug der Unkosten zu lösende Gewinn soll den Verwundeten Kriegern aus den Feldzügen von 1813. 1814 und 1815 zu Statten kommen.“

 

Eisen als patriotischer Stoff

Alle Figuren und die Bauplastik des Kreuzbergdenkmals wurden in der Königlichen Eisengießerei zu Berlin hergestellt. Eisen war damals als „patriotischer“ Stoff sehr beliebt. Das Volk spendete Gold und Silber zur Ausrüstung von Soldaten und bekam als Beleg eiserne Medaillen sowie Schmuck zur Erinnerung an „Preußens große Zeit“, wie man damals sagte. Mit dem 1813 vom König gestifteten Eisernen Kreuz mit silberner Umrandung nach Schinkels Entwurf wurden sowohl Offiziere als auch einfache Soldaten und Zivilisten geehrt. Das Symbol des Befreiungskampfes krönt die Spitze des Kreuzbergdenkmals und ist auf allen Flächen präsent. Als Hauptinschrift bestimmte Friedrich Wilhelm III. folgende Widmung: „Der Koenig dem Volke das auf seinen Ruf hochherzig Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte den Gefallenen zum Gedächtnis den Lebenden zur Anerkennung den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.“ Diese Inschrift erscheint auch auf einer Eisenmedaille zur Denkmalweihe am 30. März 1821.

Bemerkenswert ist bei dem knapp 20 Meter hohen und nach einer zeitgenössischen Berechnung 26000 Zentner schweren und alles in allem rund 85 000 Taler teuren Kreuzbergdenkmals ein eigenartiger Stilmischmasch. Neogotische Architekturformen wie Spitzbögen, Fialen und Krabben sind mit Figuren kombiniert, die sich in Haltung und Kleidung an griechische und römische Vorbilder anlehnen. Schinkel lobte die Gotik als sein „wahres Endziel“ und gestaltete das Monument als eine Art Verbeugung vor der nationalen Kunst und Geschichte. Damals galt die Gotik als originäre Leistung des deutschen Mittelalters und verkannte aber ihren französischen Ursprung.

 

Kolossale Statuen mit Königsgesichtern

Die Nischen der Winkel sind, wie Schinkel schrieb, „mit einer kolossalen Statue ausgefüllt, in welcher der Genius einer Schlacht charakterisiert ist. Der Ausdruck des Kopfes, das gewählte Alter, das Kostüm, die aus den Ereignissen entlehnten Attribute und endlich auch manche Porträt-Ähnlichkeiten haben die Motive zu einer mannigfaltigen Charakteristik und Bedeutsamkeit der Gestalten hergegeben, über denen die Architekturmasse des Denkmals nur den schützenden und zur Verehrung errichteten Baldachin abgibt“. Jede der zwölf Personen symbolisiert eine bedeutende Schlacht – von Groß Görschen am 2. Mai 1813 bis Belle Alliance (Waterloo) am 18. Juni 1815, in deren Verlauf der kurzfristig von der Insel Elba zurückgekehrte Napoleon I. endgültig geschlagen wurde.

Dass die Bildhauer den in den Nischen stehenden Personen Köpfe berühmter Zeitgenossen gaben, ist ungewöhnlich. So hat der Genius der Schlacht von Culm die Gesichtszüge Friedrich Wilhelms III., seine bereits 1810 früh verstorbene Gemahlin Luise „lieh“ dem Genius der Schlacht von Paris im Jahre 1814 den Kopf, und der Landwehrmann als Symbolfigur für die Schlacht von Groß Beeren bei Berlin gleicht dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der 1840 als König Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron bestieg. Andere Figuren sehen aus wie die in antike Gewänder gehüllten Generale Blücher, Bülow und Yorck.

Solange die Gegend um das Kreuzbergdenkmal kahl und unbebaut war, konnte man das Monument weithin sehen. Stiche und Gemälde des frühen 19. Jahrhunderts zeigen die Weite des Geländes vor der Stadt. Doch wurde mit der Besiedlung des Bezirks Kreuzberg eine Erhöhung der eher kleinen Anlage notwendig. So ließ Johann Heinrich Strack 1878 einen wuchtigen neuen Unterbau errichten. Zwölf hydraulische Pressen hoben das Denkmal um acht Meter an. Wie das ging und wie der Viktoriapark durch Hermann Mächtig einen über Felsen herabstürzenden Wasserfall erhielt, hat Frank Körner den Besuchern ebenso erläutert wie Feinheiten und Probleme der Generalrestaurierung 1979 bis 1986. Das empfindliche Eisen des Kreuzbergdenkmals erfordert kontinuierliche Sicherungs- und  Restaurierungsarbeiten. Sein grüner Anstrich wirkt zwar konservierend, doch dieser kann das Voranschreiten von Rost nicht aufhalten und muss kontinuierlich überwacht und erneuert werden. Zudem vergehen sich Sprayer und Vandalen an dem einzigartigen Kunstwerk.

Literaturhinweis: Michael Nungesser: Das Denkmal auf dem Kreuzberg von Karl Friedrich Schinkel. Bezirksamt Kreuzberg von Berlin und Verlag Willmuth Arenhövel Berlin 1987

Helmut Caspar
26. Mai 2019

(Fotos/Repros: Caspar)